Britta kämpft um ein gutes Leben mit Morbus Parkinson

Britta, 55, lebt mit Morbus Parkinson und erzaählt aus ihrem Leben

Ich bin Britta, 55 Jahre alt und lebe mit der Diagnose Parkinson. Ich bin Mutter zweier wunderbarer Kinder, Juristin von Beruf und lebe mit meinem Partner in Gütersloh. Die Diagnose Parkinson erhierlt ich vor 3 Jahren.

Obwohl ich damals kaum mehr über Parkinson wusste, als dass das typische Zittern ein markantes Krankheitszeichen ist, war die Diagnose ein Schock.

Inhaltsverzeichnis

Die Diagnose Morbus Parkinson bedeutet mehr als zitternde Hände

Parkinson ist eine chronisch fortschreitende, neurodegenerative und bis heute unheilbare Erkrankung, die zu unkontrollierbarem Zittern, enorm verlangsamten Bewegungen und bis zur Bewegungslosigkeit versteiften Muskeln führt– aber dies sind nur 3 von ca. 300 mit der Erkrankung verknüpften Symptomen.

Zum bunten Angebot gehören auch eine immer leiser werdende und verwaschene Sprache, oftmals verbunden mit schweren Schluckstörungen, die häufig zur Todesursache werden. Da die muskulären Probleme den gesamten Körper betreffen, führen diese mit der Zeit zu einem ausdruckslosen und teilnahmslos wirkenden Gesichtsausdruck. Zu Atmungs- und Herzproblemen, zu Regulierungsstörungen der Körpertemperatur, des Blutdruckes, der Blase und des Darmes. Aber auch zu Störungen des Geruchs-  und Geschmackssinnes. Dazu kommen extremste Hautstörungen, beginnend mit Rötungen, massivem Austrocknen, aber auch Überfetten, bis hin zu einem immens erhöhten Hautkrebsrisiko.

Bei Parkinson werden die Nervenzellen der Substantia Nigra, einem Bereich im Hirnstamm, der für die Produktion von Dopamin verantwortlich ist zerstört. Der dadurch hervorgerufene Mangel führt typischerweise zu schweren Depressionen, Angststörungen sowie dauernder Unruhe, die am Tag zu einer ständigen Ruhelosigkeit und nachts zu enormen Schlafstörungen führt.

Nächtliche Steifigkeit, Unbeweglichkeit und ständige Schmerzen, tun ihr übriges und die Mischung aus Erkrankung und Medikamenten führt zu immensen Konzentrationsstörungen, dauernder Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Fatigue, radikalen Persönlichkeitsveränderungen und schlussendlich zur Demenz.

Der lange Weg zur Diagnose

Wenn sich die ersten Anzeichen zeigen, sind die Betroffenen im Durchschnitt bereits 10 Jahre erkrankt, ohne etwas davon zu wissen und ohne dagegen etwas tun zu können, zu diesem Zeitpunkt sind bereits mehr als 60 Prozent der Nervenzellen in der Substantia Nigra unrettbar verloren.

Parkinson hat viele Gesichter und verläuft bei jedem anders

Gründe, die eine frühe Diagnose oftmals schwer bis unmöglich machen und so erleben viele von uns bis zu dem Moment der Diagnose eine echte Odyssee. Da machte auch ich keine Ausnahme.

Erste Anzeichen

Über viele Jahre litt ich unter kompletter Schlaflosigkeit, ständigen Schmerzen und Depressionen, fand aber stets eine für mich nachvollziehbare „Rechtfertigung“ für meinen Zustand: Dank einer toxischen Beziehung lebte ich unter konstantem Druck, ständiger Angst und Unruhe. Eine Chance auf einen Moment der Ruhe, eine noch so kleine Zeit, um einmal durchzuatmen oder neue Kraft zu finden, war jenseits jeder Vorstellung.

Nachdem ich mich 2016 aus dieser Beziehung habe befreien können, kamen einige – durchaus auch erwartete neue Probleme dazu, sodass der Zustand einer „ständigen Alarmbereitschaft“ bestehen blieb. Dennoch hatte ich zu dieser Zeit die Hoffnung, dass nun endlich „alles gut werden“, ich endlich mit meinen Kindern und meinem neuen Partner ein neues und friedliches Leben beginnen könnte –  worauf wir alle lange genug gewartet hatten.

Und tatsächlich nahm das Leben neue Fahrt auf – aber anders als erwartet:

Im Oktober 2017 starb mein lieber Papa, unmittelbar danach bekam ich einen so gravierenden Bandscheibenvorfall, dass ich beinah ein Jahr lang kaum bewegungsfähig war, 2018 gesellten sich eine Erkrankung der Schulter, eine sogenannte „Frozen Shoulder“ dazu. 2019 folgten undefinierbare Schmerzen im gesamten Körper, bis ich 2020 kaum noch einen Schritt gehen konnte. Erst dann kamen die ersten Anzeichen eines Zitterns meiner linken Hand dazu, meine Füße krampften immer häufiger und die Schmerzen ließen nicht mehr nach. Heute weiß ich, dass bereits die Schlafstörungen erste typische Parkinson Zeichen waren, aber auch die Schmerzen und Versteifungen Symptome waren, die bei jedem Arzt die Warnglocken hätten klingeln lassen müssen.

Odyssee der Diagnose

Leider klingelte aber bei den Ärzten, die ich damals aufsuchte, absolut nichts, vielmehr folgte ein bunter Diagnose Mix von Burnout über MS, Zeckenbiss und Epilepsie – um nur die Wesentlichsten zu nennen. Komischerweise musste ich selbst schon ganz früh an Parkinson denken und fragte deshalb mehrfach gezielt nach, die Antwort war stets gleich: „Dafür sind Sie doch viel zu jung“. Obwohl ich es geahnt hatte, war die Diagnose im Jahre 2020 ein enormer Schock.

Der schwierige Umgang mit der Diagnose

Vor allem wegen meiner beiden Kids interessierte mich zunächst nur die Frage, wie weit die Erkrankung meine Lebenszeit verkürzen würde, wie und ob ich überhaupt für die Beiden weiter sorgen könne. Die Antwort bei einem ersten Blick bei Google lautete:  “nicht wesentlich”  und war wenig hilfreich, denn was bedeutet „wesentlich“, wenn man endlich anfangen möchte zu leben und nicht nur die Verantwortung für  sich selbst trägt?

So versuchte ich eine Zeit lang das Thema komplett zu verdrängen –  was nicht einfach war, da meine körperlichen Möglichkeiten täglich geringer wurden. Inzwischen bewegte ich mich teilweise nur noch auf allen Vieren vorwärts – ohne den „Schutz“ des Lockdowns wäre ich schnell in meinem Job und auch im Alltag „aufgeflogen“.  Ich weihte nur meinen engsten Kreis ein, funktionierte weiter, versorgte so gut wie es mir möglich war meine Kinder, arbeitete, kümmerte mich aus der Ferne um meine Mutter.

Meine Medikamente nahm ich „halbwegs regelmäßig“ – ohne mich näher darüber zu informieren, bis mir klar wurde, dass ich längst ausführliche Informationen über Parkinson eingeholt hätte, wenn es nicht mich, sondern jemanden aus meiner Familie oder einen meiner Freunde getroffen hätte. Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich mit diesem Verhalten exakt dem folgte, was seit Jahrzehnten üblich war: Die Betroffenen ziehen sich zurück – gleichzeitig geschieht im Bereich Forschung nur wenig – und mir war klar, dass es galt, diesen Kreislauf zu durchbrechen.

Die Aktion “geschüttelt und gerührt”: Besser Leben durch mehr Wissen

Und so begann ich zu recherchieren und erfuhr sehr schnell wie widersprüchlich und dünn die Informationen sind. Wie wenig Betroffene, Angehörige und z.T. auch einige medizinische Helfer, aber auch die breite Öffentlichkeit über die Komplexität dieser Erkrankung informiert sind.  Aus dieser Erkenntnis und dem Wunsch, etwas zu ändern, entstand über Nacht mein Instagram-Account „geschuettelt_und_geruehrt“. Innerhalb weniger Tage erhielt ich nicht nur viele Follower, sondern eine berührende Zahl Rückmeldungen – so dass ich mich entschied, diesen Weg weiter auszubauen.

Es geht um eine bunte Mischung aus Information und Aufklärung auf der einen Seite – sowie vielen persönlichen Gedanken und Sorgen auf der anderen Seite. Die intensive Recherche, die aktive Auseinandersetzung, das Aufschreiben, sind für mich persönlich hilfreicher, als passiv die Krankheit anzunehmen oder auf Heilung zu warten. Aufgrund der hohen Resonanz auf den Account ist dieser inzwischen auch als Buch erhältlich (zu bestellen über Guginstabook@gmail.com)  – ein Spendenprojekt zugunsten der Yuvedo-Foundation, deren Botschafterin ich bin.

Meine Symptome, keine “Alt-Männer” Krankheit

Parkinson ist keine „alte Männerkrankheit“, immer mehr Menschen zwischen 30 und 40 erkranken. Stress und Pestizide, Umweltverschmutzung tun das ihrige. Es ist die am schnellsten wachsende neurologische Erkrankung unserer Zeit. Viele Parkies leben sehr zurückgezogen und einsam.  Wir werden -nicht zuletzt wegen der Vorurteile, mit denen wir konfrontiert werden- oftmals als Alkoholiker, mürrisch oder verwirrt eingestuft.

Gerade auch das ständige Zittern empfinde ich als sehr belastend und stigmatisierend.

Man wird für nervös gehalten, unsicher, als hätte man etwas zu verbergen, hätte ein schlechtes Gewissen, sei drogensüchtig oder Alkoholiker. Speziell in meinem Beruf als Juristin macht mir dies oftmals zu schaffen. Unsicherheit, Nervosität kann ich mir  – besonders bei Verhandlungen – nicht leisten. Deshalb habe ich mich bei meiner Arbeit inzwischen dafür entschieden, die Flucht nach vorne anzutreten und direkt auf die Erkrankung aufmerksam zu machen. Aber man möchte sich natürlich nicht bei jedem Einkauf oder Restaurantbesuch erklären müssen. Die Blicke, die damit verknüpften Vermutungen belasten mich oftmals sehr. Ich bin froh, wenn mein Partner für mich die Einkäufe erledigt und ich mich diesen Situationen entziehen kann. Kann ich mich diesen Situationen nicht entziehen oder will ich mich nicht daheim verstecken, bin ich immer extrem bemüht, den Tremor „irgendwie“ zu unterdrücken. Z.B. indem ich den Arm einklemme oder verdrehe.  Aber: Je mehr man sich bemüht, desto mehr steigt die innere Anspannung. Es scheint eine Art „sadistischer Wettlauf“ zwischen mir und Parkinson zu sein und so ist das „Versteckspiel“ nur eine kurze Zeit möglich. Zudem erhöht es die Schmerzen, die der Tremor für sich bereits mit sich bringt, noch um einiges.

Meine Gedanken

Auch wenn das Krankheitsbild derart vielschichtig ist, bin ich überzeugt, dass es Heilungsmöglichkeiten geben kann. Es müssen die wesentlichen Entscheider aus Wissenschaft, Forschung und Politik eng zusammenarbeiten.

Wir Betroffene müssen unsere Gesichter zeigen, unser Zittern, unsere anderen Symptome, müssen aufhören, uns zu verstecken und uns z.B. aktiv an Studien beteiligen und mehr Forschung einfordern.

Bei meiner täglichen Recherche konzentriere ich mich – neben neuen Methoden – vor allem auf Möglichkeiten außerhalb der Schulmedizin, die sich positiv auf den Verlauf meiner Erkrankung auswirken. Die größte Herausforderung ist schlussendlich aber die, bei allem, was zukünftig auf mich und meine Familie zukommen wird, den Kopf zumindest immer eine Handbreit über dem Wasser zu halten.  Ich möchte die wertvolle Zeit, die mir mit mir und mit meiner Familie bleibt, so wenig wie möglich von Parkinson dominieren und einschränken lassen. Natürlich aber hat die Erkrankung auf jeden Moment unseres Tages seinen Einfluss, durch ständige Schmerzen, ständige Müdigkeit, fehlende Belastbarkeit und die Angst vor dem, was kommt.

Über die Kunst des Lebens und ein Fazit

Aber die Kunst ist, diesen Schatten jeden Tag aufs Neue so weit weg zu drücken, wie eben möglich. Und  dankbar zu sein, für jeden noch so kleinen Sonnenstrahl, der versucht, diesen Schatten aufzubrechen. Natürlich gibt es Tage, an denen dies leichter fällt und Tage, an denen es sich für immer unmachbar anfühlt. Dann heißt es irgendwie bis zum neuen Tag zu kommen und dann einen neuen Versuch zu starten.  

Es ist wichtig, jeden guten Moment – sei er noch so klein – ganz bewusst wahrzunehmen und ihn in Erinnerung zu behalten und an den schlechten davon zu zehren. Natürlich weiß ich, welches enorme Geschenk ich habe, ein Umfeld um mich zu wissen, dass (noch?) die Situation mit trägt. Ich hoffe, dieses „Team“ bei all dem, was auf uns alle zukommen wird, nicht zu sehr zu belasten und sie nicht zu verlieren. Und ich hoffe auch, sie werden mich so in Erinnerung behalten, wie ich war, bevor diese Krankheit in unser aller Leben trat.
Besucht mich auf meinem Instagram Account!

Herzlichst Britta und Caro_M

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